

Geschichten und Bilder
Homepage von Albert Hirschbichler
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Das mit dem Kalb sein kam mir mal in der Arbeit in den Sinn. Der Menschheit ging es noch nie so gut wie heute, aber alle haben Ängste, Burnout, Depressionen und sonstwas. Auch Mobbing scheint weit verbreitet zu sein, zumindest wenn man den Leuten glauben will. Es stellt sich die berechtigte Frage ob es heutzutage noch vorteilhaft ist, Mensch zu sein, oder ob es die Kühe nicht besser haben, zumindest bis es ins Schlachthaus geht. Kühe auf einer Almwiese machen jedenfalls einen sehr entspannten Eindruck. Sind sich selbst genug. Kein Konkurrenzdruck. Psychosomatische Körperstörungen vermutlich selten. Fragen, wer das größere Auto hat, der Nachbar oder ich, oder wer sich den teureren Urlaub leisten kann: unerheblich. Wiesen aufessen, sonst nichts. Mit gleichbleibender Begeisterung. Ob die mit uns Menschen tauschen wollten?
Für Leute, die nicht so gut bayerisch sprechen wurde der Text noch ins Hochdeutsche übersetzt.
Wann i a Keiwe war
Dann hätt I koane Panikattacken,
koane Depressionen
koa Burn out
koane psychosomatischen Krankheiten
und neamads tat mi mobben
i tat bloß auf der Wiesn steh und den ganzn Tag fressn
bissl mit de Ohrn wackeln wenn de Fliagn lästig san
und alle hoibe Stunde tat i an ordentlichen Fladen aussidrucka,
do tat i aber mein Schwanz wegstrecka
dass er net vollgschissn werd
und biesln tat i a und des ned wenig
wann i a Keiwe war
dann brauchat I mi ned obiärgern
über irgendoan Blädsinn
i tat mi oiwei guat vertragn mit de andern Keiwen,
de olle des gleiche woin wia i
nämlich fressn und mit de Ohrn wackln
und Gras gabs gnuag für alle
de andern Keiwen tatn genauso fressn wia i
drum hättn ma meistens alle zugleich gnuag
dann tat ma bloß im Gras liegn mia Keiwen
a bißl wiederkaun
und uns de Leit oschaun
oder a ned wenn’s koane Gscheitn san
de Leit moanatn vielleicht mia san ned bsonders gscheid,
weil ma owei bloß so schaun
und weil ma ned auf´d Seit´n gengan auf da Strass´
wenn a Auto kimmt
und de wenigsten tatn gspanna, dass mir Rindviecher eigentlich Philosophen san
scho ois Keiwen
wann i a Keiwe war,
dann wars mir wurscht obs rengt oder ned
oder obs hoaß is oder koit
des war mir ois gleich recht
Hauptsach ´s Gras geht net aus
obwoi wenn’s hoaß is dann geh ma schon in Schattn a
mia Keiwen
wann i a Keiwe war
dann brauchat I net schaun wia I wieda vom Raucha loskimm
oder vom Saufa
des hätt´ i nämlich gar ned ogfangt
und i brauchat ma ned überlegn wia i tat, dass i bei de andern guat dasteh
und i brauchat a ned am Handy umanand drucka de ganze Zeit wia a Bläda
und´s Finanzamt war mir a wurscht
und wenn’s dann soweit war, dass mei Keiwelebn aus werdn soi
dann gangads a recht schnoi
koa Keiwe hat no jemals an Alzheimer kriagt oder a Demenz
und im Pflegeheim war a no koans
i war dann bestimmt a guats Kalbsschnitzel worn
und dann tat i bei der Ursi ihrer Geburtstagsfeier am Grill liegn
und alle bestimmt guat schmecka
ob des ned gscheida war als Mensch bleibn bis zum Schluss?
Desweng war I a beim Dokta, beim Leipfinger
Und hab gfragt obs möglich war,
wann ma schon Frauen zu Männer und Männer zu Frauen macha ko
ob er aus mia bittsche ned a Keiwe macha kannt
i tat a guad zoin
tuat mir leid, für a Keiwe san sie a bißl z´spät dro, hat er g´sagt
aber a Rindviech des geht sie no leicht aus
und da brauchans ned amoi a Medizin dazua
des schaffan de meistn ganz von alloa
hat er g´sagt, der Leipfi und der kennt si aus.
A.H. 17.8.2012
Wenn ich ein Kalb wäre
Dann hätte ich keine Panikattacken
Keine Depressionen
Kein Burnout
Keine psychosomatischen Krankheiten
Und keiner würde mich mobben
Ich würde bloß auf der Wiese stehen und den ganzen Tag fressen
Ein bißchen mit den Ohren wackeln wenn die Fliegen lästig sind
Und alle halbe Stunde würde ich einen ordentlichen Fladen rausdrücken
Aber da würde ich meinen Schweif wegstrecken
Dass der nicht schmutzig wird
Und pinkeln würde ich auch und das nicht wenig
Wenn ich ein Kalb wäre
Dann bräuchte ich mich nicht ärgern
Über irgendwelchen Blödsinn
Ich würde mich immer gut vertragen mit den anderen Kälbern
Die alle das gleiche wollen wie ich
Nämlich fressen und mit den Ohren wackeln
Und Gras gäbe es genug für alle
Die anderen Kälber würden genauso fressen wie ich
Darum hätten wir meistens alle gleichzeitig genug
Dann würden wir bloß im Gras liegen wir Kälber
Ein bißchen wiederkäuen
Und uns die Leute anschaun
Oder auch nicht wenn sie uns nicht gefallen
Die Leute glaubten vielleicht wir sind nicht besonders schlau
Weil wir immer nur so schauen
Und weil wir nicht auf die Seite gehen auf der Straße
Wenn ein Auto kommt
Und die wenigsten würden erkennen, dass wir Rindviecher eigentlich Philosophen sind
Schon als Kälber
Wenn ich ein Kalb wäre
Dann wäre es mir egal ob es regnet oder nicht
Oder ob es heiß ist oder kalt
Das wäre mir alles gleich recht
Hauptsache das Gras geht nicht aus
Obwohl wenn es heiß ist, dann gehen wir schon auch in den Schatten
Wir Kälber
Wenn ich ein Kalb wäre
Dann bräuchte ich nicht überlegen wie ich wieder vom Rauchen loskomme
Oder vom Saufen
Das hätte ich nämlich gar nicht angefangen
Und ich bräuchte mir keine Gedanken machen, wie ich bei den anderen gut da stehe
Und ich bräuchte nicht am Handy herumdrücken die ganze Zeit wie ein Blöder
Und das Finanzamt wäre mir auch egal
Und wenn es dann mal soweit wäre, dass mein Kälberleben zu Ende gehen soll
Dann ginge das recht schnell
Kein Kalb hat noch jemals Alzheimer bekommen oder Demenz
Und im Pflegeheim war auch noch keins
Ich wäre dann bestimmt ein gutes Kalbsschnitzel geworden
Und dann täte ich bei Ursis Geburtstagsfeier auf dem Grill liegen
Und allen bestimmt gut schmecken
Ob das nicht gescheiter wäre als Mensch bleiben bis zum Schluss?
Deswegen war ich beim Doktor, beim Leipfinger
Und hab gefragt ob es möglich wäre
Wenn man schon Frauen zu Männern und Männer zu Frauen machen kann
Ob er aus mir bitteschön nicht ein Kalb machen könnte
Ich würde auch gut zahlen
Tut mir leid, für ein Kalb sind sie schon etwas zu spät dran, hat er gesagt
Aber für ein Rindvieh geht sich´s noch leicht aus
Und da brauchen sie nicht mal eine Medizin dazu
Das schaffen die meisten ganz von allein
Hat er gesagt, der Leipfi, und der kennt sich aus.
A.H. 17.8.2012

Keiwe im Allgäu

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